Wir haben also bis zum Mai 2007 nur noch regelmäßige Untersuchungen gehabt, ansonsten mußten wir einfach abwarten. Die Kinder, die solch eine OP haben, müssen einen bestimmten Brustumfang haben, da ihnen aus 4 Rippen Fingergroße (Männerhände wohlgemerkt) Stücke entnommen werden, von denen dann der Knorpel genutzt wird. Aus diesem Knorpel wird ein neues Ohr geformt, die "Fehlstücke" am Kopf entfernt und das neue Ohr unter die Haut gelegt. Festgenäht werden muß das Ohr nicht, da der Körper von alleine sofort reagiert. Er merkt, dass es ein Körperteil gibt, der nicht richtig fest ist und schickt sofort keine "Helfer" hin, die das Körperteil wieder an sich binden. Für Laien, finde ich, klingt das komisch.
Aber soweit sind wir auch noch gar nicht. Vanessa und ich sind am 9.5.2007 zur Aufnahme in das Prosper-Hospital gefahren, in dem der damals angehende Professor jetzt diesen Status erreicht hatte. Wir waren schon erleichtert, dass Prof. Dr. Dr. Siegert dann NUR bis nach Recklinghausen mit seinem gesamten Team gegangen ist. In Lübeck sind seit dem diese Operationen nicht mehr machbar, da der "alte" Arzt in Rente gegangen ist und das neue Team ja komplett gewechselt ist.
Wir haben uns den typischen Prozeduren unterzogen (schriftl. Aufnahme, Untersuchung, Narkosearzt, Hörtest, etc., Zimmer eingeräumt und auch meine kleine Wohnung mit meinen Sachen bestückt. (Wohnungen gibt es auf dem KH-Gelände zu mieten, wenn ein Angehöriger länger stätionär behandelt werden muß, und jemand in der Zeit in der Nähe sein möchte -ist eine echt gute Sache-). Die Schwestern auf der Kinderstation waren sehr, sehr nett und hilfsbereit. Sie sagten uns auch, wenn wir die erste OP hinter uns hätten, dann wäre das Schlimmste vorbei. Wir haben echt geschluckt bei dieser Aussage, nicht wissend, was auf uns zukommt.
Vanessa war am nächsten Tag die erste Patientin im OP. Mein Mann war noch 15 Minuten, bevor unsere Tochter abgeholt wurde, eingetroffen. Beide waren heilfroh, sich noch gesehen zu haben. Relativ pünktlich wurde Vanessa dann von 2 Schwestern abgeholt und mit uns zusammen nach unten zu dem HNO-OP-Saal gebracht. Vor der Tür mußten wir uns dann verabschieden, was mir schon etwas schwer gefallen ist (aber, man darf sich ja nichts anmerken lassen). Die Ärzte hatten uns gesagt, wir sollten uns den Tag über gut beschäftigen, da diese OPs zwischen 5 und 8 Stunden dauern könnten!! Wenn unsere Tochter also nach 5 Stunden noch nicht fertig wäre, dann würde es nichts Schlimmes bedeuten. Wir sollten uns entspannen. (Guter Rat...).
Wir sind dann erst mal in die sehr gut ausgestattete Cafeteria des KH gegangen und haben versucht zu frühstücken. Ich war zu diesem Zeitpunkt im 7. Monat schwanger und mußte ein wenig auf mich Acht geben. Nach ein paar Bissen von Nichts haben wir alles weggeräumt und sind in die Stadt gegangen. Handy immer dicht beim Ohr. Das haben wir 3 Stunden ausgehalten, dann sind wir wieder zurück zum KH und haben noch gute 2 Stunden vor dem OP-Saal gewartet. Irgendwann, gefühlte 20 Stunden später, kam dann der operierende Arzt, Dr. Ralph Magritz, um uns mitzuteilen, dass Vanessa im Aufwachraum liegt, die OP gut verlaufen ist und es unserer Tochter den Umständen entsprechend gut gehen würde. Einer von uns durfte dann sofort zu ihr. Die erste Schicht habe ich dann übernommen. Vanessa schlief natürlich noch, schneeweiß im Gesicht und irgendwie nicht da. Sie sah gequält aus und bekam ständig Schmerzmittel. Trotzdem ging es ihr den Umständen entsprechend gut. Nach einer kleinen Weile hat mein Mann mich abgelöst, ich mußte dringend nach draußen.
Ich bin nicht sehr weit gekommen. Direkt vor dem Eingang des KH stand draußen eine Bank, auf der ich erst Mal Platz nehmen mußte. Jetzt endlich, nach guten 5,5 Stunden OP, viele Stunden Vollnarkose bei meiner 11 Jahre alten, sehr dünnen Tochter wußte ich, sie war damit durch und für uns alle war die erste OP erledigt. Eine riesen Last, Angst, Unmut, Gezitter und Anspannung fielen von mir ab. Mir kamen die Tränen und ich ließ sie einfach laufen. Irgendwann kam eine Frau auf mich zu und fragte, ob es mir nicht gut gehen würde und sie mir helfen oder jemanden rufen könne. Ich mußte lächeln und habe ihr gesagt, dass alles o.k. war. Sie warf einen Blick auf meinen dicken Bauch und mochte nicht weggehen. Ich habe ihr dann kurz erklärt, dass es eigentlich mehr Freudentränen wären, denn die OP wäre ja jetzt endlich vorbei. Nach nochmaligen Versichern ist sie dann auch gegangen und ich habe mich wieder beruhigt. Das war richtig lieb von der Frau.Ich bin dann auch wieder zurück zu Vanessa und meinem Mann.
Unsere Tochter ist dann 2 Stunden später wieder auf ihrem Zimmer gewesen und mein Mann hat sich dann langsam wieder verabschiedet. Mittlerweile war der ganze Tag rum und Vanessa war wach (und auch nicht) und mußte sich ausruhen. Sie war kalkweiß, völlig hinüber und hatte starke Schmerzen. 4 Tage hat unsere Tochter gebraucht, um sich wieder zu erholen. Sie hat nicht gegessen und fast nicht einmal geredet. Vanessa hatte einen Schmerztropf bekommen, den sie 6x innerhalb einer Stunde selbst aktivieren konnte (hat es in den ersten 2 Tagen aber nicht gemacht). Als der Arzt ihr den Tropf wegnehmen wollte (weil sie ihn nicht nutze), da hat sie ihn endlich benutzt und die Schmerzen waren ertragbar.
Alles was mit dem Kopf zu tun hatte war schmerzfrei. Aber die Schmerzen an ihren Rippen waren kaum auszuhalten. Die Schwestern und Ärzte sagten uns dann auch, dass die OP an den Rippen immer das Schlimmste wäre. (Ausfürhlicher darf ich hier gar nicht berichten, dann seid ihr mich leid). Am Abend nach der OP bekam Vanessa Fieber, was nicht unnatürlich war, nur die Höhe des Fiebers war nicht o.K. . Es war aber immer eine Schwester und auch ein Arzt für uns da und hat schnell reagiert!!! Die ersten 4 Tage habe ich je 16-20 Stunden an Vanessas Bett gesessen, ansonsten ging gar nicht.
Warum ich das hier alles so erzählen muß?? Durch den Geburtstag unserer Tochter und dem Bilder durchsuchen bin ich dort wieder drauf gestoßen und es war schlagartig alles, bis aufs kleinste Detail, wieder präsent. Da das für uns als Eltern wirklich eine harte Zeit war, hatte ich das Gefühl, es mal aufschreiben zu müssen. Sorry, für den, der es nicht lesen mag. Schaut in ein paar Tagen wieder vorbei!
Letztendlich waren wir 9 Tage in Recklinghausen und ab dem 5. Tag ging es bergauf. Da sind dann auch die Bilder mit dem ersten Lächeln entstanden.
Zwei Schläuche waren im Kopf, einer an den Rippen. Die mußten später noch gezogen werden.
Die Schwestern und Ärzte auf der Kinderstation sind wirklich alle lieb, freundlich und zuvorkommend gewesen, aber wir waren auch nette Patientinnen. Zur Entlassung mußte Vanessa noch mal auf die Waage und hatte in 9 Tagen 5 Kilo abgenommen. Die Hose rutschte ihr beim Weggehen immer nach unten. Aber..... wir hatten die erste OP sehr gut hinter uns gebracht!!
Einige von euch haben auch schon ähnliche Situationen erlebt und wissen, was ich meine. Jeder von uns hat in seinem Leben kleine und große Päckchen zu tragen und alle sehen anders aus. Aber wenn mit den eigenen Kindern etwas ansteht, dann kann man noch so gut gerüstet sein, ist der Tag da, würde man am liebsten weglaufen. Und trotzdem schafft man auch das und es geht weiter. So haben wir auch noch die zweite und die dritte OP geschafft und zusätzlich noch eine ganz nette Familie kennengelernt, bei denen unsere Töchter im Januar noch zu Besuch waren.
Vanessa kommt gerade herein und sagt, ich wäre ein Laptop-Chiller. Niedlich, oder? Wir haben heute die Geburtstage der Mädels nachgefeiert und es war sehr schön. Vielen Dank ihr lieben Gäste, könnt gerne wiederkommen!!
Ich wünsche euch eine schöne Woche und.... es kann nur noch wärmer werden, hihi. Eure Alexandra.